Nachhaltigkeit bei Viega – Interview mit Dr. Simon Weihofen
Wenn Dr. Simon Weihofen über Nachhaltigkeit spricht, dann mit Überzeugung – und ohne erhobenen Zeigefinger. Vielmehr gelingt es ihm, seine fundierte Expertise mit einem klaren Gespür für die realen Herausforderungen im Unternehmensalltag zu verbinden.
Seit 2022 ist er als „Director Sustainability & Decarbonization“ Teil der Strategieabteilung und maßgeblich daran beteiligt, Nachhaltigkeit im Unternehmen strategisch und operativ zu verankern. Wie das aussieht, hat er uns im Gespräch erklärt.
"Nachhaltigkeit ist keine Ideologie, sondern eine unternehmerische Notwendigkeit."
Dr. Simon Weihofen (Director Sustainability & Decarbonization), Viega GmbH & Co. KG
Angetrieben von Verantwortung
Schon früh zeichnete sich ab, dass Nachhaltigkeit für ihn mehr ist als ein modisches Schlagwort. „Für meine Generation wird der Umgang mit den planetaren Grenzen zur eigentlichen Aufgabe“, sagt Weihofen. Geprägt hat ihn unter anderem das Studium des nachhaltigen Wirtschaftens in England – eine bewusste Entscheidung nach einer breiten betriebswirtschaftlichen Ausbildung. „Ich wollte etwas machen, das mich mein Leben lang motiviert. Etwas, das Sinn ergibt, auch über klassische Karrierewege hinaus.“
Was ihn antreibt, ist kein Aktivismus, sondern eine tief empfundene Verantwortung. Und der Wunsch, Wirtschaft neu zu denken: „Es geht doch längst nicht mehr nur um Gewinnmaximierung. Wir müssen uns fragen: Was richten wir mit unserem Tun an? Wie geht es uns als Menschen damit – im Unternehmen, in der Gesellschaft?“
Nachhaltigkeit beginnt mit Beziehungen
In seinem Alltag bei Viega ist Weihofen nicht nur Stratege, sondern auch Netzwerker, Übersetzer und Ermöglicher. Sein Erfolgsrezept: Menschen mitnehmen. „Es bringt nichts, nur in Strategiepapieren zu denken“, sagt er. „Nachhaltigkeit funktioniert nur, wenn sie von innen herausgetragen wird.“ Deshalb sei der Aufbau eines unternehmensweiten Netzwerks seine erste große Aufgabe gewesen – verbunden mit viel Gesprächsarbeit, Workshops und dem Auflösen von Vorbehalten.
Dass er sich mit diesen Themen nicht nur fachlich, sondern auch persönlich identifiziert, sei spürbar – und hilfreich. „Ich bin kein Ideologe“, betont er. „Aber ich habe meinen Traumjob gefunden, weil ich bei diesem Thema wirklich etwas bewegen will. Diese Einstellung bemerken und schätzen auch die Kolleginnen und Kollegen.“
Strategie mit Haltung
Dass Viega Nachhaltigkeit als strategische Priorität begreift, war für Weihofen ein entscheidender Grund, ins Unternehmen zu wechseln. Der Impuls kam aus dem Kreis der Eigentümerfamilie – und wurde konsequent weiterentwickelt. Besonders sichtbar wird das beim Ziel der Klimaneutralität bis 2035. Ein ambitionierter Plan, der sich nicht auf den bloßen Zukauf von grünem Strom stützt. „Natürlich könnten wir es uns einfach machen“, so Weihofen. „Aber wir wollen echten Wandel – durch eigene Investitionen in dezentrale erneuerbare Energien vor Ort.“
Die Vorteile dieses Ansatzes liegen für ihn auf der Hand: mehr Versorgungssicherheit, echte regionale Wertschöpfung, langfristige Standortbindung. „Wenn wir in Windräder oder Photovoltaik-Anlagen investieren, bleibt das Geld in der Region. Das schafft Akzeptanz – und wirkt weit über die ökologischen Effekte hinaus.“
Dezentral, aber mit klarem Ziel
Eine Besonderheit bei Viega ist die dezentrale Organisation des Nachhaltigkeitsmanagements. Statt eines zentralen Teams liegen die Verantwortlichkeiten bewusst dort, wo die Entwicklung stattfindet, sprich in den Fachbereichen selbst. „Das hat viele Vorteile“, erklärt Weihofen. „Die Kolleginnen und Kollegen kennen ihre Bereiche am besten. Sie bringen das Thema aus eigener Motivation voran – und haben ein ganz anderes Standing, wenn sie intern Projekte anstoßen.“
Natürlich gibt es auch Herausforderungen, etwa bei der fachlichen Tiefe oder der Synchronisation unterschiedlicher Aktivitäten. Doch genau hier setzt Weihofens Rolle als Koordinator an. In regelmäßigen Abstimmungsrunden kommen die Bereichsverantwortlichen zusammen, tauschen sich aus, justieren Ziele und setzen Impulse. „Was uns auszeichnet, ist das gemeinsame Mandat – von der Eigentümerfamilie über das Top-Management bis zu den operativen Einheiten. Diese Linie gibt Sicherheit und Orientierung.“
Nachhaltigkeit ganzheitlich denken und umsetzen
Nachhaltigkeit bei Viega beruht auf vier definierten Handlungsfeldern: Produkte, Produktion, Menschen und Transparenz. Für Weihofen ist klar: „Diese Bereiche sind gleichwertig – man kann keinen rauslassen. Sie bedingen sich gegenseitig.“
Klimaneutralität mit Substanz
Ein zentrales Ziel bei Viega ist die Klimaneutralität bis 2035 in den Scopes 1 und 2, also bei den direkten Emissionen und dem Energieverbrauch. Der Weg dorthin ist klar: Investitionen in eigene Anlagen, langfristige Partnerschaften und konkrete Maßnahmen vor Ort.
Besonders stolz ist Weihofen auf den Ausbau der Photovoltaikanlagen, die bereits an die 57.000 Quadratmeter umfassen. „Bei den Dreharbeiten rund um den Nachhaltigkeitsbericht war ich mit dem Kollegen Patrick Sauermann – der das Projekt federführend betreut hat – vor Ort. Mit ihm dazustehen und zusammen auf die Anlagen zu blicken, das war ein Schlüsselmoment für mich“, erinnert er sich. Der Erfolg dieses Projekts spiegelt für Weihofen den gesamten Weg von der Strategie bis zur Umsetzung wider – mit dem Ergebnis, dass dort nun grüner Strom fließt. Impact zum Anfassen, sozusagen.
Bei den Plänen zur Klimaneutralität ist es dem Nachhaltigkeitsexperten wichtig, auch die lokale Gemeinschaft einzubeziehen. Im größten Werk in Thüringen wurden die Pläne beim „Zukunftstag“ öffentlich gemacht, mit breiter Beteiligung der Nachbarschaft. „Natürlich gibt es Bedenken“, sagt er, „aber wenn man die Menschen mitnimmt und ihnen zeigt, dass es auch um ihre Arbeitsplätze und ihre Region geht, ist viel möglich.“
Ziele, Zahlen, Wirkung
Nachhaltigkeit mit präzisen KPIs messbar zu machen, ist kein Selbstläufer – aber entscheidend. Neben dem Meta-Ziel der Klimaneutralität wird Fortschritt bei Viega über ein kaskadiertes Zielsystem erfasst, das von der Unternehmens- bis zur Bereichsebene reicht. „Jede Führungskraft trägt Verantwortung für ihre spezifischen Nachhaltigkeitsziele“, erklärt Weihofen.
EPDs als Wettbewerbsvorteil
Environmental Product Declarations (EPDs) machen die Umweltwirkungen eines Produkts über den gesamten Lebenszyklus sichtbar. „Gerade beim digitalen Planen und Bauen werden solche Daten immer wichtiger“, sagt Weihofen. In Ländern wie Skandinavien oder Großbritannien sind EPDs bereits Standard – und oft Voraussetzung für öffentliche Ausschreibungen.
Auch intern bieten sie Mehrwert: Sie schaffen Transparenz in der Entwicklung und ermöglichen den Vergleich von Produkten. So kann etwa ein Kupferfitting durch seine Recyclingfähigkeit punkten – selbst wenn das Primärmaterial zunächst CO₂-intensiver ist. „Wer EPDs konsequent nutzt, verschafft sich klare Wettbewerbsvorteile“, so Weihofen.
Zwischen Anspruch und Alltag
Die größte Herausforderung? Den Spagat zwischen Anspruch und Realität auszuhalten. „Nicht jeder ist beim Thema Nachhaltigkeit sofort begeistert. Manche sehen Zielkonflikte oder fürchten um den wirtschaftlichen Erfolg“, so Weihofen. Doch oft hilft die reine Faktenlage. „Wenn eine eigene Solaranlage langfristig günstiger ist – wer will da ernsthaft noch dagegen argumentieren?“
Er selbst lebt Nachhaltigkeit im Alltag, aber ohne Dogmatismus. E-Auto, Plus-Energiehaus, Wärmepumpe – ja. Weniger Fleisch? Derzeit nicht. „Ich bin zum Beispiel auch für einen Nachhaltigkeits-Workshop in die USA geflogen. Aber ich tue das bewusst und versuche dann auf andere Weise, meinen Beitrag zu leisten. So kann ich meinen Weg vertreten, auch vor meinen Kindern oder späteren Enkeln.“
„Die Richtung stimmt“
Trotz aller Herausforderungen blickt Dr. Simon Weihofen optimistisch in die Zukunft. Die Branche stehe erst am Anfang, viele Unternehmen tasteten sich heran. Doch Viega habe den Mut zur Klarheit – und ein starkes Mandat. „Wir wollen Vorreiter sein“, sagt er. „Und wir wissen, dass das geht. Nicht, weil wir perfekt sind. Sondern weil wir angefangen haben – und weil wir jeden Tag dazulernen.“
Sie möchten sich eingehender über das Thema Nachhaltigkeit bei Viega informieren? Der Nachhaltigkeitsbericht 2023 gibt Antworten auf zentrale Fragen.
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